Plötzlich Führungskraft?

Plötzlich Führungskraft?

Mir ist es 2009 so ergangen. Quasi über Nacht wurde ich vom Fachkader zur Führungskraft.  Von heute auf Morgen vom Kollegen zum Chef – das war nicht immer einfach. Was hat das für mich bedeutet? Wie hat sich mein Arbeitsalltag verändert? Wie gehe ich heute damit um?

Plötzlich Führungskraft

Über Nacht zur Führungskraft

2008 habe ich bei Sage Schweiz als Portfolio Manager begonnen. Diese Position hatte nur im entferntesten Sinn mit Banken zu tun. Meine Aufgabe war es, die Angebote im Bereich Finanz und Business Intelligence von Sage Schweiz zu koordinieren und weiter zu entwickeln.

Von einem Tag auf den anderen kam es, nach einem CEO Wechsel, zu einer grösseren internen Reorganisation. Die Portfolio Manger wurden abgeschafft, dafür gab es neu ein Product Marketing. Ich wurde ausgewählt, das Product Marketing Team zu leiten. Das hiess, neuer Chef und plötzlich selber Chef.

Plötzlich Chef

So bin ich also zur Führungskraft geworden. Plötzlich eine Stufe höher in der Hierarchie und vom ersten Tag an wurde die Luft dünner. Aus Kollegen wurden Mitarbeitende. Einige Freundschaften litten darunter, andere entstanden. Klar war aber, ich war von einem Tag auf den anderen im Schaukasten. Das heisst, meine Aussagen, mein Verhalten und mein Auftreten wurden ganz anders bewertet als noch zuvor. Damit hatte ich riesige Mühe. Die Gesprächsthemen waren nicht mehr dieselben und auch sonst hatte ich das Gefühl, jetzt definitiv „erwachsen“ zu sein.  Diese Erfahrung war prägend für mich. Es ist eindrücklich zu sehen, wie viele Leute „obrigkeitsgläubig“ sind. Es war aber auch schön zu sehen, dass es auch das Gegenteil gibt, und dass es viele Personen gibt, die das richtig einordnen können. Ich war in dieser Zeit oft unsicher, habe mich selber hinterfragt -> das war ab und an eine Belastung.

Die Herausforderungen

Folgende Herausforderungen hatte ich plötzlich auf dem Tisch:

  • Entscheidungen für das Team treffen
  • Mehr Verantwortung
  • Mehr Mitsprache in der Firma
  • Personaladministration
  • Mehr Meetings
  • Mehr Arbeitsstunden

Training als Führungskraft

Ehrlich, ich war zum Beginn komplett überfordert. Glücklicherweise durfte ich dann ein Leadership Seminar besuchen, diese hat mir sehr geholfen mich in der neuen Rolle zu Recht zu finden. Im 6tägigen Seminar wurden folgende Punkte behandelt:

  • Agieren und Reagieren (Eigene Wirkung, Motivationsgespräch, Eigenmotivation)
  • Strategie und Qualigespräch (Zielsetzungen, Wer fragt – führt, Körpersprache, Motivation und Qualifikation)
  • Kontrolle als Chance (Kontrolle – Frust oder Motivation, Kommunikation, Projektmanagement)
  • Sitzungsleitung (Effiziente Sitzungen, Resultate, Zeitmanagement)
  • Rollenverhalten (Delegation und Führen, Zeitmanagement)

Mir persönlich hat das Training extrem geholfen. Ich habe mich zwar oft und heftig mit dem Kursleiter gestritten – ich war vielfach komplett anderer Ansicht. Trotzdem waren die 6 Trainingstage ein voller Erfolg.

Ich bin eigentlich keine Führungskraft (im klassischen Sinne)

Ich bin sehr dankbar, wurde ich von meinem damaligen Arbeitgeber in diese Führungsrolle befördert. Nach den ersten drei Jahren wollte ich nur eines, wieder Fachkader sein. Ich war als Chef, in meinen Augen, zu nett, lies die Leute zu nahe an mich ran und schaffte es nur schlecht mich abzugrenzen.

Also neue Herausforderung angenommen – Fachkader – aber dort nach nur einem Jahr wieder in eine Führungsrolle befördert und nur ein weiteres Jahrs später finde ich mich in der Geschäftsleitung wieder – schön verrückt.

Heute gelingt mir die Abgrenzung besser. Trotzdem, eigentlich bin ich nach wie vor mehr Kollege denn Chef – ich sehe das wenigstens so. Ich setzte mich nicht immer durch, gehe mit meinen Mitarbeitenden in den Dialog, erarbeite gemeinsame Lösungen. Klar, manchmal gibt es Themen die einfach durchgeboxt werden müssen – aber generell will ich die Betroffenen zu Beteiligten machen.

Viele werden jetzt sagen, das ist doch kein Chef. Wie, so einer ist in der GL eines Schweizer KMU? Ja, auch ich mache mir diese Gedanken. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre rücksichtsloser, geradliniger und etwas konsequenter. Diese Gedanken verwerfe ich dann aber umgehend wieder.

Ich bin authentisch, ich rege meine Mitarbeitenden zum mitdenken an, beteilige sie an Entscheidung und erarbeite Lösungen im Team. Meine Aufgabe sehe ich mehr darin, zu steuern, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und eine Umgebung produktiven Arbeitens zu schaffen. So definiere ich Führung. In meine Mitarbeitenden habe ich volles Vertrauen, ohne Blind zu sein.

Übrigens, die Herausforderung, dass die Luft beim erklimmen der Karriereleiter immer dünner wird, ist geblieben. Heute weiss ich aber damit umzugehen und ich habe keine Schwierigkeiten mehr damit. Warum? Weil ich meinen Stil gefunden habe und mich sein kann.

Was ich seit 2009 verändert habe? Eigentlich ist es ganz einfach. Ich versuche der Chef/die Chefin zu sein, welchen ich als Vorgesetzen/e haben möchte. Ich bleibe ich und ich versuche es nicht allen recht zu machen. Bis heute bin ich damit ganz gut gefahren.

Was sind eure Erfahrungen zum Thema „plötzlich Führungskraft“?

Der Haudraufmensch


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